SHMF: Mit Schwung zum Bernstein-Award

13.7.2024, 17.51 Uhr: Zum 22. Mal wurde der Bernstein-Award des Schleswig-Holstein Musik Festivals in Lübeck an einen jungen Künstler vergeben: Diesmal ist Preisträgerin die 29-jährige Cellistin Anastasia Kobekina, die sich in einem Konzert mit dem Kammerorchester Basel in der Gollan-Werft die Ovationen des Publikums (vorm Bildschirm auch live bei ARTE-Concert) abholte.

Klar stand der Abend im Zeichen Venedigs, denn die „Hauptkomponisten“ Tomaso Albinoni und Antonio Vivaldi waren Venezianer. Sie machten damals im Barock kurzweilige Unterhaltungsmusik für weltliche und Kirchenfürsten. Ihre Werke unterhalten auch heute – nun ein breites Publikum, das vor allem die schnellen Sinfonia- und Concertante-Sätze bewundert, die so unkompliziert eingängig sind. Darauf versteht sich exzellent das Basler Kammerorchester aus elf Streichern (die Violinen und Violen stehen) plus Langhalslaute und Virginal.

Prinzipalin Julia Schröder hatte mit energischer Körpersprache alle(s) im Griff: die Concerti des unkomplizierten Albinoni und des rasanten Vivaldi mit seinem „Vier Jahreszeiten“-Sound ebenso wie dessen in Moll gehaltene Cellokonzerte. Hier nun bot Anastasia Kobekina – in alter Manier das Stachel-lose Instrument mit den Knien haltend – ihr Können, Temperament und auch Showtalent: flinkeste Finger, Sforzati-Perfektion und die hohe Schule der (Hand)Gelenkigkeit. Doch sie kann auch anders, wie die schmachtende Fauré-Romanze sowie die Zeitgenossen Caroline Shaw (elegisches Duo mit Violine) und Valentin Silvestrov (melodieselige Abendserenade mit dem Basler Pizzicato-Kollegen) zeigten.

Höhepunkte zweifellos waren Auszüge aus der (transponierten) „Suite Italienne“ von Igor Strawinsky mit sehnsuchtsvoller Kantilene, Vivace-Grandezza und dem humorvollen Sausewind-Finale – und vor allem Niccolo Paganinis „Rossini-Variationen“: In diesem supervirtuosen Werk des „Teufelsgeigers“ war Kobekina voll in ihrem Element, zeigte alle „Schikanen“, die technisch nur möglich sind, und löste einen Beifallsorkan aus. Den besänftigten SH-Sparkassenstiftungspräsident Oliver Stolz und SHMF-Intendant Dr. Christian Kuhnt, die vielerlei Lob äußerten und Anastasia Kobekina den Award sowie den 10.000-Euro-Scheck überreichten.

Mitglieder der Familie Bernstein hatten diesmal nicht kommen können, erläuterte SHMF-Pressechefin Laure Hamdorf, die den Abend moderierte. Auch Politiker aus Kiel hatten sich rargemacht. Als Begrüßungsredner eingesprungen war nun Minister Claus Ruhe Madsen, der mit seinem dänischen Understatement-Humor das Auditorium erheiterte.

Zwei Anmerkungen. So manchem der tausend Besucher erschloss sich nicht, warum das Konzert nicht wie gewohnt in der festlichen Atmosphäre der MuK stattfand, sondern in der unpersönlichen Gollan-Riesenhalle, in der die Akustik für Streicher zwar einigermaßen, in den hinteren Stuhlreihen von einem Piano aber kaum noch etwas zu vernehmen ist. Und: Schade, dass im Programmheft weder die „Venezia“-Bezüge (so befindet sich Strawinskys Grab auf der Friedhof-Insel San Michele) noch, wie es lange Tradition war, die Orchestermitglieder aufgeführt wurden – so konnten die Violinistin, der Lautenist und der Cellist, die jeweils im Duo mit Kobekina ebenfalls glänzten, nur „anonym“ gelobt werden.

Anastasia Kobekina erhielt in Lübeck den Leonard Bernstein-Award des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Foto: Olaf Malzahn



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