Die verschollene Lübecker Burg

Lübeck: Archiv - 10.07.2022, 15.02 Uhr: Am 14. Juli ist in Frankreich Feiertag. Tagsüber wird gepicknickt und abends geht es ins Restaurant, dann im Anschluss zum Feuerwerk. So feiert man in Frankreich und erinnert sich an den Tag als die Bürgerinnen und Bürger die Bastille erstürmten und die Revolution begann. Doch kaum jemand weiß, das Lübeck auch seinen kleinen Bastille-Tag hatte, genauer gesagt den Sturm auf die Olavsburg.

Die Olavsburg war das Sinnbild der Macht der Lübecker Elite, die sich in der Zirkelgesellschaft traf und den Rat dominierte. In der Burg wurden die opulenten Festmähler der Zirkelgesellschaft veranstaltet, aber auch riesige Banketts für die honorigen Delegierten der Hansetage. Hochrangige Könige und Adlige wurden empfangen. Das Geld für diese Feste zahlten dann auch nicht die Reichen der Zirkelgesellschaft, sondern es wurde aus der Stadtkasse genommen, einmal die gesammelten Geldstrafen der letzten 24 Jahre. Wegen der Trink- und Gelageregeln, die innerhalb der Stadt galten und derart opulente Feste verbot, war die Burg nahe der Stadt aber ohne diese Regeln, der ideale Ort für die Zirkelgesellschaft.

Dann kam die Reformation, die Bürger begehrten auf und erzwangen neben den religiösen auch politische Umbrüche. Es waren unruhige Zeiten. Im Juli 1531 wurde das Haus der Zirkelgesellschaft in der Königstraße geplündert und zerstört. Wullenweber wurde Bürgermeister und zum ersten mal hatten auch Handwerker politische Beteiligung. Wullenweber hatte keine gute Hand in der Politik und sein Ansehen sank, wie auch das seiner Anhänger. Vielleicht um ein Fanal zu setzen und klar zumachen, wer die Macht inne hat, setzten sie zum Sturm auf die Olavsburg an. Gesprochen wurde von den "64 unde 100", gemeint war der sogenannte Bürgerausschuss von Wullenweber mit Verstärkung von 100 Mann. Sie drangen in die Olavsburg ein, verwüstete und plünderte sie, selbst die Fenster wurden herausgebrochen. Die Hintergründe dieser Tat bleiben wohl für immer im Nebel der Zeit verborgen.

Der alte Bürgermeister Brömsen erzwang sich mit Hilfe des Kaisers und des Hansetages seine Rückkehr. Die Stadt blieb aber protestantisch. Doch Wullenweber landete im Kerker. Brömsen war bei der peinlichen Befragung Wullenwebers zugegen. Unter der Folter gestand er alles, was die Folterknechte hören wollten und wurde schließlich hingerichtet.

Die Olavsburg wurde jedoch nicht wieder hergerichtet, auch die Tätigkeit der Zirkelgesellschaft erstarrte. Vorerst gab es nichts mehr zum Feiern. Schon bald wussten die Lübecker noch nicht einmal mehr, wo die bedeutende Burg stand. Auch an ihr Aussehen konnte sich niemand mehr erinnern. Spurlos verschwunden, einfach weg.

In unserer Zeit gab es immer wieder Versuche diese geheimnisvolle Burg wiederzufinden. Weil man nichts fand wurde sie sogar weit ab im Spieringshorst vermutet. Andere Autoren orientierten sich sicher realitätsnäher an den Chronisten, die die Burg am Hüxterdamm sahen.

Es ist wohl an der Zeit genauer hinzuschauen. Immer wieder wurde eine vermutete Darstellung der Burg erwähnt. Auf dem Gemälde des Lübecker Totentanz ist am rechten Ende eine Burg abgebildet. Das Gemälde ist am Ende des 15. Jahrhunderts entstanden. Alle wichtigen Gebäude der Stadt sind auf dem Totentanz im Hintergrund zu erkennen. So eine wichtige Burg dürfte dort nicht fehlen.

Auf der anderen Seite ist die abgebildete Burg sehr groß, es scheint unvorstellbar, das eine solche Anlage spurlos verschwinden kann und viele vermuten aus diesem Grund, dass es sich nicht um Olavsburg handeln kann.

Beide Positionen haben recht. Dargestellt ist nämlich der Hüxterdamm in seiner ganze Länge und erst am Ende steht die Olavsburg. Der Reigen beginnt mit einem Gebäude, dass auch auf anderen Stadtansichten zu sehen ist. Dann die Brauwasserkunst, die Bürgerwasserkunst ist zur Zeit der Entstehung des Totentanzes noch nicht gebaut. Nun folgen drei Gebäude, die Wassermühlen sind. wobei der Künstler die Wasserräder weggelassen hat. Es schließt der Absalonsturm an, ein mächtiger Wehrturm, der wie ein Bergfried wirkt. Was jetzt noch übrigbleibt ist ein etwa vierzig Meter langes rechteckiges Gebäude und ein nicht allzu hoher runder Turm davor. Daneben ist vielleicht noch ein Gebäude oder ein Wall.

Der Hüxterdamm wurde im 13. Jahrhundert gebaut um die Wakenitz zu stauen und dann für Wassermühlen nutzbar zu machen. Damit schufen die Erbauer aber auch einen neuen Zugang zur Stadt. Die Olavsburg schützte nun das Ende des Dammes auf der Falkenwiese. Das war zu der Zeit üblich und das dürfen wir auch an dieser Stelle annehmen. Zuerst wird ein Turmhügel, also eine Motte, errichtet worden sein. Mit dem Aushub eines Grabens drumherum wurde der Hügel errichtet. Dann wurde ein fester runder Turm gebaut. Vermutlich wird der Anlage ein festes Haus, als Saalbau angefügt. Unüblich waren solche Burgen oder auch Wehrhöfe für Städte nicht. Meistens wichen sie neuen Verteidigungsanlagen und wurden dementsprechend abgerissen. So auch in Lübeck. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wird nämlich das Rondell, ein großer eher flacher Artillerieturm gebaut. Damit verändert sich auch die Topographie. Das Rondell ist mit Wasser umspült und genau da lag das Gebäude der Olavsburg. Zudem behinderte der Turm, wie das Gebäude, ein Schussfeld des Rondells und musste schon deshalb abgebrochen werden. Vermutlich ist das abgebrochene Material im Rondell wieder verarbeitet worden.

Alles nur Vermutungen und Spekulation? Es gibt eine Beschreibung aus dem 16. Jahrhundert von Rehbein: "Die Olavsburg lag außerhalb der Stadt zwischen dem Hüxter- und Mühlentor auf der Wakenitz, fast neben dem Rondell beim Hüxtertor, von Wasser umflossen wie eine Insel mit einer Zugbrücke."

Am Standort des Rondells, befindet sich noch heute ein Hügel, es führen einige Stufen auf ihn hinauf, ein Teil liegt aber im Garten des letzten Grundstückes auf dem Hüxterdamm. Weit kann die Olavsburg also nicht sein. Über den Düker, dem künstlichen Zufluss von der Wakenitz zum Mühlenteich befindet sich ebenfalls ein kleine Anhöhe. Dort befand sich der Turm der Olavsburg. Das ein Turm vorhanden war wissen wir auch aus einer Quelle um das Jahr 1500. Ob von dort die Zugbrücke führte kann nicht beurteilt werden, ist aber zu vermuten. Das Gebäude lag zwischen dem Turm und dem Rondell, teils unter dem Rondell teils im heutigen Düker.

Klare Beweise könnte eine Grabung geben. Ein Laser Radarbild (Lidar) könnte Aufschluss über die verborgene Topografie geben und die alte Bebauung sichtbar machen. Wie dem auch sei, am Besten das gute Wetter genießen und am 14. Juli auf einen kleinen Hügel zwischen Mühlendamm und Rehderbrücke steigen.

Auf dem Totentanz-Gemälde ist eine Burg zu sehen. Ein Teil davon ist offenbar die Olavsburg.

Auf dem Totentanz-Gemälde ist eine Burg zu sehen. Ein Teil davon ist offenbar die Olavsburg.


Text-Nummer: 152742   Autor: Ragnar Lüttke   vom 10.07.2022 um 15.02 Uhr

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