Gedanken zum Erntedank

2.10.2021, 13.31 Uhr: Am Sonntag wird das Erntedankfest gefeiert. Pastorin i.R. Ellen Naß erläutert in ihren Gedanken zum Wochenende die Bedeutung dieses Tages - nicht nur beim Thema Ernährung.

Morgen haben wir nicht nur Sonntag, sondern gleichzeitig auch noch 2 Feiertage. Es ist der 3. Oktober, der Tag der deutschen Einheit. Viele ärgert das, denn wenn es ein Wochentag wäre, hätte man frei. Gleichzeitig ist Erntedankfest, das ja immer am 1. Sonntag im Oktober gefeiert wird.

Ursprünglich wurde es nicht immer an diesem Sonntag gefeiert, sondern am Sonntag nach dem Michaelistag, dem 29. September. Das ist natürlich meistens im Oktober, aber es kann auch im September sein. Dieser Termin kam daher, dass lange Zeit am Michaelistag in der Landwirtschaft das Wirtschaftsjahr endete, so eine Art Jahresabschluss, wie wir es zum Jahresende tun.

Im Moment kann man ja auch immer mal wieder lesen, wie denn die Ernte in diesem Jahr war, Sanddornernte soll schlecht gewesen sein, die Spargelernte so und die Apfelernte anders. So war es schon immer, und Ende September war die Ernte größtenteils eingebracht, Knechte und Mägde wurden bezahlt, konnten zu diesem Termin auch den Arbeitsplatz wechseln. Man wusste, ob die Ernte gut oder weniger gut ausgefallen war.

Nach diesem Jahresabschluss zu Michaelis wurde dann Erntedankfest gefeiert, immer, auch wenn die Ernte vielleicht nicht so gut gewesen war. Das ist in einigen Jahren den Menschen schon immer schwer gefallen, ein Dankfest zu feiern, wenn sie befürchten mussten, dass vielleicht die Lebensmittel nicht über den Winter reichen würden. So ist das Erntedankfest eine gute Gelegenheit, nicht unbedingt, um die Ernte zu bewerten, sondern um zu bewerten, was uns alles Gutes widerfahren ist im letzten Jahr. Dazu gehören auch unsere Lebensmittel. Es gibt zwar immer mal wieder Skandale, aber dass wir hier in Deutschland so viel und so abwechslungsreich zu essen haben, das ist nicht selbstverständlich.

Meine Mutter erzählte immer, ihre Großeltern als Kleinbauern hätten mittags Bratkartoffeln gegessen, abends warme Gerstengrütze mit kalter Milch und morgens kalte Gerstengrütze mit warmer Milch. Wer sich vor dem Marmeladenregal nicht entscheiden kann, sollte an solche Zeiten denken und dankbar sein.

Dankbar können wir auch sein für die Impfungen, die uns ein fast normales Leben ermöglichen. Vor einem Jahr hätte man darauf noch nicht zu hoffen gewagt, die Entwicklung eines Impfstoffes schien noch in weiter Ferne. Wenn man sich überlegt, wie viele Tote es vor 100 Jahren bei der „Spanischen Grippe“ gegeben hat, dann haben wir – trotz der schweren Zeiten in den letzten anderthalb Jahren – jeden Grund, dankbar zu sein.

Dankbar können wir auch sein für die Menschen, mit denen wir zusammenleben. Es ist natürlich nicht alles immer gut, wir machen uns Sorgen, wenn sie krank sind, verletzt, weit weg. Aber auch mit im engsten Freundes- und Familienkreis geht es uns vergleichsweise gut. Vor 1900 dauerte eine durchschnittliche Ehe 10 Jahre, dann war einer gestorben, die Kindersterblichkeit war hoch, und wenn jemand auswanderte, zum Beispiel nach Amerika, dann sah man sich wahrscheinlich nie wieder.

Wir haben viele gute Gründe, Bilanz zu ziehen und Gott zu danken, wegen der Ernte, wegen unserer Gesundheit, wegen unserer Lebenszeit. Das Erntedankfest ist ein guter Anlass. Am 3. Oktober erinnert es uns daran, dass wir auch für unsere politische Einheit danken können und sollten.

Außerdem macht uns das Erntedankfest deutlich, dass wir nicht selbst für unser gutes Leben verantwortlich sind, sondern dass es geschenkt ist. Dass erinnert daran, dass wir deshalb teilen sollten mit denen, denen es nicht so gut geht wie uns. Die Kollekte am Erntedankfest für Brot für die Welt ist ein guter Anfang – danken und teilen gehören zusammen.

So können wir morgen Gott danken für alles Gute, was wir erhalten haben, können es teilen und weitergeben – und wir tun das hoffentlich nicht nur morgen.

Pastorin i.R. Ellen Naß erinnert daran, dass wir viele Anlässe zur Dankbarkeit haben.



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