32. Kammermusikfest Lübeck: Ein Resumée

Lübeck: Mit dem Ende des diesjährigen 32. Kammermusikfestes im Lübecker Kolosseum, das im Namen der Scharwenka-Gesellschaft stattfindet, war ein abwechslungsreiches, farbiges und buntes Programm zu Ende gegangen.

Beim zweiten Konzert am Samstag, 15. Juni 2024, um 19.30 Uhr trat im ersten Teil das Luboš Ensemble mit Barbara Köbele, David Moosmann, Violinen, Daniel Burmeister, Rebecca Falk, Viole, Teresa Laun, Violoncello (statt Sebastian Chon) auf. Anfangs scheinbar missgelaunt, am Ende fiel dann aber die Anspannung ab und erlöst nahmen die fünf Musiker den kräftigen Applaus entgegen. Auf dem Programm stand das Streichquintett E-dur op. 11 Nr. 5 von Luigi Boccherini, der wegen seines silbrigen Menuetts und trotz seiner Hunderten Werke für Streichquintett, die für den spanischen Hof entstanden, berühmt geblieben ist. Bei diesem Ohrwurm handelt es sich um einen der meistgespielten Sätze des Kammermusik-Repertoires (und von dem es zahllose Bearbeitungen gibt) des Haydn-Zeitgenossen, der dann als Zugabe (dabei ohne das Trio) noch einmal gespielt wurde. Als zweites Werk erklang ein Streichquintett (1936) einer mir bislang unbekannten österreichischen Komponistin Maria Bach (nicht verwandt mit der Familie Johann Sebastian Bachs), das stilistisch etwa zwischen Zemlinsky und Bartók einzuordnen ist. Mit großem Ernst und Engagement widmeten sich die fünf Streicher diesem randständigen Werk.

Im zweiten Teil dann war als Novum des Kammermusikfestes erstmals Gesang zu erleben: Imke Looft, Sopran und Steffen Kubach, Bariton, mit Nathan Bas, Klavier – alle drei Mitglieder des Theaters Lübeck – präsentierten unter dem Titel „In Büsum gibt’s einen Keuschheitsverein“ Chansons, Lieder und Couplets von Ralph Benatzky, Otto Reutter, Claire Waldoff, Leo Fall, Georg Kreisler, Bodo Wartke und Reinhard Mey. Allerdings entspricht Imke Looft nicht dem Bild, das man von einer resoluten Chansonsängerin wie beispielsweise Claire Waldoff, Trude Herr, Zarah Leander u. ä. hat. Absolut textsicher und -verständlich, worauf es hier für die Musik, die eigentlich für SchauspielerInnen bestimmt ist., ja ankommt. Ihr Partner Steffen Kubach gab den Schwerenöter, obwohl er am Ende offen ließ, ob er sich nicht vielleicht doch eher zu dem Pianisten hingezogen fühlt („Ich habe zu viel Angst vor meiner Frau“ von Otto Reutter). Dabei sprengte seine Podiumspräsenz beinahe den kleinen Rahmen des Kolloseums. Beide lockerten ihren Gesang mit ihren schauspielerischen Fähig-keiten auf.

Am dritten Tag, Sonntag, 16. Juni 2024, gab es morgens um 11 Uhr erstmals ein Kinder- und Familien-konzert (bei freiem Eintritt): Die Nixen gaben in phantasievollen Kostümen und Streichquartett-Besetzung ihr Mini-Musical „Oceankids“ mit 45 Minuten Spieldauer zum Besten: Rahel Rilling, Katharina Wildhagen, Violinen, Kristina Menzel-Labitzke, Viola, Nikola Spingler, Violoncello.

Mit Musik vom Rap - die Zuhörer, darunter nicht wenige Kinder, wurde zum Aufstehen und Mitklatschen aufgefordert, was sich durch das Mitmachen als ein funktionierender Trick zum Anfeuern der Begeisterung entpuppte – bis zu Anklängen an Bachs „Air“ (aus der 3. Orchestersuite) und Vivaldis „4 Jahreszeiten“ mit der maritimen Geschichte über die Vermüllung der Meere und unserer Umwelt. Der dankbare Jubel der Kinder und der Erwachsenen am Schluss kannte kaum Grenzen.

Das abendliche Abschlusskonzert am Sonntag, 16. Juni 2024, um 19.30 Uhr war im 1. Teil der Mezzosopranistin Julia Baier-Tarasova mit ihrer Klavierbegleiterin Annette Töpel gewidmet. ...„und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus“, war das Motto ihres Auftritts mit Liedern und Arien von Natur und Liebe von Robert Schumann, Richard Strauss, Johannes Brahms und Philipp und Xaver Scharwenka. Auch kam es zur Uraufführung von zwei gemäßigt modernen Liedern von Michael Töpel (*1958), der anwesend war und sich anschließend bei Frau Baier-Tarasova und Frau Töpel bedankte.

Es folgten Mykola Lyssenkos (1842-1912): An den Mondkönig, Franz Lehárs „Hör´ ich Cymbalklänge“ aus der Operette „Zigeunerliebe“, Fred Raymonds (1900-1954): „Die Juliška aus Budapest“ (Foxtrott aus der Operette „Maske in Blau“. Während die Pianistin Annette Töpel mit ihrer einfühlsamen und zuverlässigen Begleitung vollkommen überzeugte, so ist doch nicht zu verhehlen, dass Frau Baier-Tarasova wohl über ein schönes Timbre verfügt, das den Gesang quasi lächelnd vorbringt, dann aber ab der höheren Mittellage zum Forcieren und zur Schärfe neigt.

Den Schlusspunkt setzte im zweiten Teil Flautando Köln mit Susanna Borsch, Susanne Hochscheid, Ursula Thelen, Kerstin de Witt mit ihrem Programm „Tradition und Innovation – Blockflöte gestern und heute“, das die unvermuteten Wirkungen dieses als Schülerinstrument verrufenen Holzblasinstrumentes aufzeigte. Hier nun stellten die vier Damen zwanzig (!) verschiedene Blockflötentypen vor, wobei die Intonation gelegentlich heikel blieb. Besonders überraschten zwei extra angefertigte Sub-Kontrabassblockflöten, die eher an ein Periskop als an ein Holzblasinstrument erinnerten. Neben einer mittelalterlichen anonymen Estampie reichte das Spektrum von Musik von Heitor Villa-Lobos (1887-1959), Kurt Weill (1900-1950), Georg Philipp Telemann (1681-1767), türkischen Volksliedern bis zu einem minimalistischen Stück „Clockwork. Toccata op. 68/c“ von Fulvio Caldini (*1959) - alles in Arrangements für die vier Musikerinnen mit ihren zwanzig Instrumenten. Für dieses rekordverdächtige Unternehmen bedankte sich das Publikum mit stürmischem Applaus.

Zum Schluss verwies Moderator Jürgen Feldhoff, der durch das Programm kompetent geführt hatte, in seiner Verabschiedung auf das kommende 33. Kammermusikfest 2025, dem wir nur zu gern entgegensehen.

Die Organisatoren lieferten ein abwechslungsreiches Programm mit einigen Neuerungen. Foto: Wolfgang Maxwitat

Die Organisatoren lieferten ein abwechslungsreiches Programm mit einigen Neuerungen. Foto: Wolfgang Maxwitat


Text-Nummer: 166552   Autor: Dieter Kroll   vom 17.06.2024 um 15.23 Uhr

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