Große Zauberberg-Ausstellung im St. Annen-Museum

Lübeck - Innenstadt: Lübeck feiert 100 Jahre „Der Zauberberg“: Die Geburtsstadt von Thomas Mann widmet das gesamte Museumsquartier St. Annen dem Weltbestseller. Mit einer kulturgeschichtlichen Ausstellung des Buddenbrookhauses, Interventionen in der mittelalterlichen Sammlung des St. Annen-Museums und einer zeitgenössischen Installation in der Kunsthalle St. Annen.

Darüber hinaus hat das Buddenbrookhaus gemeinsam mit Partnern ein umfangreiches Begleitprogramm unter anderem mit Theater, Konzerten, Film und einer Ringvorlesung aufgelegt.

Die ab dem 14. September laufende Ausstellung „Thomas Manns Der Zauberberg. Fiebertraum und Höhenrausch“ des Buddenbrookhauses erzählt von den zentralen Themen und Konflikten des Romans: Tod und Leben, Begehren und Liebe, Krieg und Frieden. Diese zeitlosen Themen verknüpft die Ausstellung durch aktuelle Bezüge eng mit unserer Gegenwart. Der Roman, der am Vorabend des Ersten Weltkriegs spielt, weist auch hundert Jahre nach seinem Erscheinen Parallelen mit unserer Zeit auf: Nationalismus, Wissenschaftsferne, Ignoranz und Hassrede sind über alle zeitlichen Brüche und Epochenwechsel hinweg aktuell.

Eine Reise in sieben Ausstellungsstationen
Sieben ist die magische und strukturgebende Zahl des „Zauberbergs“. Entsprechend gliedert sich auch die Ausstellung in sieben Abschnitte, die den knapp 1000-seitigen Roman der Weltliteratur auf 250 Quadratmetern sichtbar, hörbar, fühlbar machen – nicht nachgebaut in Davoser Kurkulisse, sondern seinem philosophischen Gehalt gewidmet. Immer wieder neu und überraschend sind dabei die Interventionen der Gegenwart.

Am Anfang steht die Entstehungsgeschichte des Romans: Die Besuchenden erhalten einen Blick in das Arbeitszimmer von Thomas Mann und in die Fülle an Texten und Diskursen, die Thomas Mann im „Zauberberg“ verarbeitet hat, während sich zeitgleich die Welt radikal veränderte. Das lange 19. Jahrhundert endet mit dem Zivilisationsbruch des Ersten Weltkriegs, alte Ordnungen verschwinden, neue suchen sich zu etablieren. Zugleich schreitet die Technisierung in der medizinischen Diagnostik in Meilenstiefeln voran, von der auch der „Zauberberg“ erzählt. Gemeinsam mit Hans Castorp geht man auf die Reise in das Lungensanatorium Berghof. Von medizinhistorischen Objekten bis hin zur heutigen Smartwatch zeigen die Exponate, wie damals im Roman und heute Körperfunktionen gemessen und bewertet werden. Indem die Aufmerksamkeit ständig um die erfassten Körperdaten kreist, werden sie zu einem zentralen Lebensinhalt.

Neben Diagnostik und Körperkontrolle greift die Ausstellung das Thema der Behandlung auf. Der Mythos von der guten Luft der Schweizer Alpen wirkt heute als Heilmittel der Schwindsucht befremdlich, aber trotzdem erfreuen sich Luftgütesensoren reger Abnahme. Anhand von medizinischen Instrumenten und Heilgegenständen aus Vergangenheit und Gegenwart zeigt die Ausstellung, wie die Themen des Romans die Menschen damals und heute bewegen und führt die Aktualität des Textes buchstäblich vor Augen.

Das gilt ebenso für die vier Ausstellungsabschnitte, die Hans Castorps Innenleben gewidmet sind, seiner traumhaften Erkundung von den Wesensmerkmalen des Lebens. Dazu zählen Endlichkeit und Tod, Erotik und Begehren, gesellschaftliches Miteinander und Gewalt – und die Sehnsucht nach einem Sinn. Ein besonderer Fokus liegt auf dem erotischen Verlangen, das Hans Castorp im Sanatorium verweilen lässt und das sich kaum vom Eskapismus unserer Tage unterscheidet.

Folgerichtig lädt ein übergroßes, organisch geformtes Sitzmöbel zum Verweilen ein. Umgeben von leicht psychedelischer Wandgrafik, in der sich Gliedmaßen umschlingen, fällt das Aufstehen schwer. Die Nahaufnahmen der Wandgestaltung mögen pornografisch anmuten, sind aber Close Ups antiker Plastiken.

Die im Roman deutlich herausgearbeiteten politischen Auseinandersetzungen der beiden Widersacher Naphta und Settembrini zeugen von der „großen Gereiztheit“ unserer Zeit. An die Stelle ausufernder Figurendialoge des Romans treten in der Ausstellung allerdings aktuelle Zitate. Die Gedankenwelten und Dispute der Figuren sind nicht von gestern, sondern von erschreckender Gegenwärtigkeit. Auch hier wird deutlich, wie sehr die Tonalität der politischen Agitatoren von damals der heutigen ähnelt.

Die Ausstellung endet wie der „Zauberberg“ mit Gewalt und Krieg. Am Schluss steht die Frage „Wird aus diesem Weltfest des Todes einmal die Liebe steigen?“ – und es ist an dem Publikum selbst, eine Antwort zu finden und diese im Ausstellungsraum zu entwickeln.

Die Zauberberg-Ausstellung des Buddenbrookhauses wird im St. Annen-Museum Lübeck gezeigt, da das Buddenbrookhaus wegen Umbaus geschlossen ist. Die Ausstellung nutzt die Möglichkeit und bezieht sieben Stationen in der sakralen, mittelalterlichen Sammlung des St. Annen Museums als Zauberberg-Interventionen mit ein. Die ausgewählten Objekte – vom Epitaph bis zur trauernden Mutter Gottes – zeigen, dass Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ nicht nur in die Gegenwart, sondern auch in die Vergangenheit weist.

Zeitgleich zum Zauberberg eröffnet in der Kunsthalle St. Annen die Ausstellung „Extra Time“ der britischen Künstlerin Heather Phillipson, die sich dem Roman künstlerisch nähert. Mit raumgreifenden multimedialen Installationen verwandelt sie die Kunsthalle in ein begehbares Kunstwerk, durch das die Besucher traumwandeln können. Dabei bedient sie sich verschiedener Medien, von Videokunst über Skulptur und Musik bis hin zu Texten und Zeichnungen.

Die Ausstellung läuft vom 14. September 2024 bis zum 02. März 2025 im St. Annen-Museum, St. Annen-Str. 15.

www.derzauberberg.de

So soll der Raum „Liebe“ der Zauberberg-Ausstellung aussehen. Rendering: Flex Grafik Studio other types

So soll der Raum „Liebe“ der Zauberberg-Ausstellung aussehen. Rendering: Flex Grafik Studio other types


Text-Nummer: 168224   Autor: Veranstalter/red.   vom 13.09.2024 um 08.37 Uhr

Text teilen: auf facebook +++ auf X (Twitter) +++ über WhatsApp

Text ausdrucken. +++  Text ohne Bilder ausdrucken.

Text kommentieren.


Please enable / Bitte aktiviere JavaScript!
Veuillez activer / Por favor activa el Javascript![ ? ]